Warum gibt es so viele schlechte Führungskräfte?

Bei einem Blog mit dieser (bewusst provokant) formulierten Headline kann man sich eines gewiss sein: Niemand wird sich als „Titelfigur“ angesprochen fühlen und niemand wird sich durch Empörung outen, da man sich ja dann selbst ins Abseits stellt.

Und gleichzeitig ist das schon eine der wichtigsten Antworten auf die Frage in der Überschrift – und zugleich eine der wichtigsten Antworten über die Menschheit selbst: Jeder von uns – egal in welcher Position, in welcher Rolle oder Situation – denkt in der Regel bei allem, was er/sie tut, dass es im Augenblick das Richtige ist. Man kann sich das schwer vorstellen, wenn man jemand beobachtet, der in der eigenen Wahrnehmung so was von daneben liegt, aber es ist so.

Mit anderen Worten: Benimmt sich jemand offensichtlich dumm, falsch, unhöflich, großkotzig oder einfach nur jenseitig – Sie können sich sicher sein, dass sich derjenige im Moment überlegen, goldrichtig, taktvoll oder vielleicht sogar als Held fühlt, weil er in seinen Augen den Mumm hat, das Richtige zu tun, auch wenn es unpopulär oder unverstanden sein sollte.

Beispiele für solche Situationen gibt es in unserer gespaltenen Welt ja derzeit genug. Egal, ob auf der Weltbühne der Politik und Wirtschaft oder im Kleinen bei der Einhaltung oder Nichteinhaltung der Corona-Maßnahmen – Menschen tanzen aus der Reihe, weil sie die „Reihe“ für falsch platziert halten und etwas richtigstellen wollen.

Was hat das alles mit Führung zu tun? Immer mehr solcher „Überzeugt-aus-der-Reihe-Tänzer“ (hier bewusst nur die männliche Form verwendet) haben es in verschiedenen Systemen an die Spitze geschafft. Warum? Weil Menschen sich leider sehr oft von Selbstherrlichkeit blenden lassen und sie mit tatsächlichem Vermögen und Qualitäten verwechseln, die zwar oft in Aussicht gestellt, aber dann selten auf den Boden gebracht werden. Härter formuliert: Wir leben im Zeitalter der Blender und werden dabei zunehmend blinder für die echten, nachhaltigen Eigenschaften, die wahre Leader mit sich bringen sollten.

Die mit dem Kopf durch die Wand-Typen, Ellenbogen-in-die-Rippen-Stoßer, Niederwalzer selbstverliebte Ego-Riesen (kurz: die Art von Menschen, die eigentlich am wenigsten geeignet sind, andere zu führen) sind also dort, weil sie das jeweilige System dort wollte (meistens schwindet die Begeisterung dann schnell, wenn sie die Machtposition eingenommen haben). Und das System sind… nun, wir alle.

Genau darum ist es so wichtig, in einem Staat, in einer Gesellschaft und auch in einem Unternehmen ein Umfeld zu schaffen, das die Großherzigen und Großdenker anstatt der Großmäuler nach oben trägt. So gesehen fängt der Fisch nicht immer unbedingt am Kopf an zu stinken, sondern manchmal auch am anderen Ende. Der Geruch hat nur am Ende des Prozesses unübersehbare Dimensionen angenommen.

Was ist die Botschaft: Unternehmen brauchen wie alle Systeme Vielfalt, Weitblick, Geduld, Besonnenheit und viele andere Eigenschaften wahrer Leader, gerade damit wahre Leader aus ihnen hervorgehen und nach oben kommen. Am effektivsten und schnellsten werden diese Weichen natürlich „ganz oben“ gestellt. Das heißt aber nicht, dass die vielen anderen zum untätigen Abwarten verdammt sind. Das Schöne an Systemen ist, dass viele Mikro- und Makrosysteme ineinandergreifen und jeder in der Lage ist, etwas einzubringen und zu verändern. Das System bestimmt in der Summe seiner Teile, was als angemessen, akzeptabel und anerkannt gilt und wie man wünscht, zum Erfolg zu gelangen. In Gesellschaften und Unternehmen kann man das auch einfacher als „Kultur“ bezeichnen.

Wahre Leader wissen all das und setzen auf Integrität, Authentizität, Empathie und auch auf beharrliche Leidenschaft, um Erfolge zu erreichen. Das dauert vielleicht etwas länger, dafür winkt ihnen, dem Unternehmen und dem System eine nachhaltig erfolgreiche Führung, die nicht vom Schein lebt, sondern von wahren Führungsqualitäten.

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