Alle ins Boot holen – nur wer niemanden zurücklässt, kommt wirklich ans Ziel

Nie war diese Aussage aktueller und eindrücklicher zu erleben als in der jüngsten Vergangenheit. Unsicherheit, Verwirrung, Ablehnung – das politische Management der Corona Krise zeigt ziemlich deutlich auf, was es bedeutet, wenn man auf Gruppen vergisst oder deren Ängste und Bedenken nicht wahrnimmt. War vor einem Jahr noch ein nationaler Schulterschluss zu bemerken, so ist dieser längst im Wirrwarr regionaler Regelungen und unbeständiger Informationen untergegangen. Wie sollen wir ein gemeinsames Ziel, die ersehnte Normalität, erreichen, wenn der Rückhalt in der Bevölkerung längst abgebröckelt ist? Doch was hier im großen Stil negativ auf der politischen Bühne vorgelebt wird, passiert alltäglich in Unternehmen und Teams auf ähnliche Weise.

Sie kennen das bestimmt. Ein Projekt startet, und anfangs sind noch alle Feuer und Flamme und schaufeln sich Zeit frei, um es schnell voranzubringen. Doch mit Fortdauer des Projekts und länger werdenden Intervallen zwischen den Meetings bleibt plötzlich die Energie auf der Strecke. Vereinbarte Termine werden weniger, Absprachen sind nicht mehr so intensiv, und irgendwann arbeiten dann nur noch die Projektleiterinnen und Projektleiter. Der Rest des einst leidenschaftlichen und begeisterten Teams ist abgesprungen und operativ nicht mehr im Boot.

Was hier etwas überspitzt und im Zeitraffer formuliert wurde, ist in vielen Teams Alltag. Mit der Energie gehen auch die Produktivität und die Freude flöten und aus einer anfänglichen Herzensangelegenheit wird schnell eine lästige Verpflichtung für eine Sache, die ohnedies „von Anfang an zum Scheitern verurteilt war“.

Als Leader sollten Sie die Kunst beherrschen, das Feuer für ein gemeinsames Projekt am Lodern und die Leute bei der Stange zu halten. Das ist eine der herausragenden Eigenschaften von Leadern. Dazu ist es notwendig, offen zu bleiben und Vertrauen aufzubauen. Doch mindestens ebenso wichtig ist der genaue Blick darauf, was innerhalb von Teams passieren kann, die mit einer Aufgabe konfrontiert sind. Denn jedes Team wird sich früher oder später – in unterschiedlicher Intensität und Dauer – in den folgenden Phasen wiederfinden.

Phase der Orientierung: Ein neues Thema, ein neues Teammitglied, veränderte Rahmenbedingungen – jede Veränderung erfordert ein Innehalten und eine Bestimmung, wo man steht. Folgende Prozesse finden in dieser Phase statt: Einerseits wird Distanz gewahrt, gleichzeitig suchen die einzelnen Teammitglieder jedoch auch Nähe zu anderen: Mit wem kann ich gut? Wer steht mir nahe? Wer ist wichtig für das Projekt, für meine Rolle, für mich? Man bleibt ein Teil einer Gruppe, aber auch gerne anonym (Sie kennen das vielleicht von Ihrem ersten Elternabend in der Schule Ihres Kindes). Trotzdem juckt es einen dann doch, sich zu zeigen: Wie bin ich im Vergleich zu anderen? In dieser Phase braucht die Gruppe bzw. das Team viel Anleitung. Die Führungskraft ist zu diesem Zeitpunkt ein Fels in der Brandung. Gleichzeitig will jedes Teammitglied bewusst er bzw. sie selbst sein – speziell, wenn es sich um ein neu zusammengestelltes Team handelt oder wenn ein alteingesessenes Team mit neuen Inhalten, Aufträgen oder Themen konfrontiert ist. Spätestens jetzt finden sich alle in einer paradoxen Situation wieder: Einerseits will Neues erprobt werden, andererseits wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht auf Bewährtes und Vertrautes verzichten. Jeder will zeigen, dass er bzw. sie einzigartig ist, und trotzdem nicht zu anders sein als bisher. Ihre Aufgabe als Leader in dieser Phase: Holen Sie alle ins Boot und geben Sie klare Anleitungen! Klare Führung ist hier das A und O. Lehnen Sie sich nicht zurück! Die Zeit, in der Sie das Ruder nicht permanent unter Beobachtung haben müssen, wird kommen.

Phase der Gärung und Klärung: Die Anfangshemmungen werden größtenteils abgelegt. Die Gruppe kennt sich nach und nach besser und lässt Nähe zu. Die Folge: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigen auch ihre schlechten Seiten, da die eigene Position klarer ist und sich jeder sicherer fühlt. Jetzt steigt das Konfliktpotenzial und Rivalitäten zeigen sich. Rollenklarheit wird gewünscht und eingefordert. Einzelne wollen sich mit ihren Sichtweisen und Ansätzen durchsetzen – manchmal auch gegen die Führungskraft. Nun steigt auch die Kritikfreude der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Entscheidungen und Aussagen der Führungskraft stehen deutlicher auf dem Prüfstand. Jetzt ist der Zeitpunkt, um klare Regeln, Normen und Vereinbarungen zu treffen. Lässt man diese Gelegenheit aus, schafft man einen Nährboden für spätere zwischenmenschliche Konflikte. Doch, was Sie auch tun oder nicht tun, das Team hat sich am Ende dieser Phase organisiert. Ihre Aufgabe als Leader in dieser Phase: Seien Sie sich bewusst, dass Ihre Qualität als Führungskraft und Mensch auf dem Prüfstand steht! Auch wenn diese Zeit unruhig und belastend ist – stellen Sie sich der Herausforderung! Verstecken Sie sich nicht und verweigern Sie nicht die Kommunikation Was jetzt nicht angesprochen und geklärt wird, kommt mit Sicherheit zu einem späteren Zeitpunkt und mit größerer Intensität zurück.

Phase der Arbeitslust und Produktivität: Never change a winning team – reparieren Sie nichts, was nicht repariert werden muss! Eine gewisse Stabilität tritt ein. Das Team und die Gruppe arbeiten effektiv und voller Energie. Machen Sie nicht den Fehler, anzunehmen, dass diese Phase völlig frei von Krisen sein könnte. Auch hinter scheinbarer Harmonie können Konflikte schlummern – vor allem, wenn in der vorhergehenden Phase nicht alles restlos geklärt wurde. Ihre Aufgabe als Leader in dieser Phase: Bleiben Sie achtsam und beobachten Sie! Sorgen Sie für klare, gut kommunizierte Rollen und vergessen Sie nicht die soziale Ebene! Geben Sie immer wieder Raum und Zeit für Gespräche! Sie werden in dieser Phase zum Moderator und Berater. Dabei können Sie sich auch etwas zurückhalten und die Fäden langsam im Hintergrund ziehen. So stehen Sie dem Team spürbar, aber nicht überpräsent zur Seite und überwachen so die Einhaltung der Balance.

Phase des Abschlusses: Jetzt werden Projekte inhaltlich abgeschlossen bzw. es wird entschieden, wo und wie weitergearbeitet werden soll. Nun muss auch der Transfer in den Alltag passieren – speziell bei Projekten, bei denen man sich vom „Projektstatus“, also dem klar definierten Anfang und Ende, verabschieden muss. Es entsteht Angst vor der „unbekannten Zukunft“ und den weiteren Schritten. Das Team überlegt, wie es weitergeht und welche Aufgaben und Rollen man zukünftig übernehmen wird. Trotz der aufkommenden Unsicherheit ist es an der Zeit, die vier durchlaufenen Phasen zu feiern und zu genießen. Ihre Aufgabe als Leader in dieser Phase: Nun sind Sie wieder voll gefordert. Übernehmen Sie sehr bewusst und sichtbar strukturelle Arbeit und die Leitungsfunktion und machen Sie sich bereit dafür, dass der Kreislauf wieder von vorne beginnt!

Fazit: Idealerweise überschneiden sich die Phasen des Abschlusses und der (Neu-)Orientierung, um ein Team in Bewegung und motiviert zu halten. Die Übergänge sollten fließend und laufend sein. Daher ist es gut, stets aktive Projekte auf dem Plan zu haben – ganz nach dem Motto: „Raus aus dem Alltag, rein in neue Energien und Denkweisen!“

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