Werfen Sie Ihren persönlichen Ballast ab!

Warum bin ich so, wie ich bin? Fragen Sie sich das manchmal oder glauben Sie, dass Ihre positiven, wie negativen Eigenschaften angeboren sind? Glauben Sie mir, das sind sie nicht. In unser aller Leben gibt es Schlüsselerlebnisse, Erziehungserfolge, Aha-Momente, Autoritäten und Geschichten, die uns zu dem gemacht haben, was wir heute sind. Es liegt also weniger in unseren Genen, sondern vielmehr in unserem Gehirn. Wir haben es also in der Hand, unser Verhalten – und damit auch uns – zu ändern.

Das Gehirn ist unser zentrales Organ, in dem menschliche Erfahrungen gespeichert werden. Wir kommen mit einer Vielzahl angeborener Instinkte zur Welt und müssen diese jeweils unserer Umwelt – unseren sozialen Systemen – anpassen. Dabei können wir motiviert oder enttäuscht werden. Das bedeutet: Wir verhalten uns in verschiedenen Umgebungen möglicherweise anders, weil wir unterschiedliches Feedback auf unser Verhalten erhalten. So entwickeln wir im Laufe der Zeit eigene Reflexe und bauen darauf unser individuelles Instinktverhalten auf.

Unser Instinkt wird also von erworbenem Verhalten geprägt, das wir uns von Klein auf aneignen. Sprechen, Laufen und komplexere Bewegungen bekommen wir nicht über die Gene mit, sondern wir müssen es selbst erlernen – genauso wie das Verstehen von Zusammenhängen und soziales Verhalten. Wir eignen uns Wissen an und kombinieren dieses Wissen, um bei ähnlichen Problemen das Erlernte und Verstandene neu anzuwenden bzw. zu erweitern. Ebenso lernen wir den Umgang mit Menschen durch den Umgang mit Menschen. Was letztendlich dabei herauskommt, ist also in großem Maße davon abhängig, welche Umgebung und welche Menschen auf uns Einfluss genommen haben (Erziehung, Familie, Schule) bzw. welchen Menschen wir Einfluss gegeben haben (Freunde, Vorbilder, Idole).

 Stellen Sie sich nun alle diese Einflüsse Ihres bisherigen Lebens vor und stecken Sie diese gedanklich in einen großen Rucksack. Aus diesem Rucksack heraus wirken alle Ihre Verhaltensmuster, wenn Sie instinktiv handeln. Instinkt ist also keine reine Bauchsache und kein Überbleibsel im Reptiliengehirn. Und weil Ihr Instinkt demnach zu einem großen Teil „hausgemacht“ und sehr persönlich ist, lautet die gute Nachricht: Sie können bestimmen, was Sie in Zukunft in Ihren Rucksack packen!

Das menschliche System ist auf Wahrnehmung ausgelegt: Was wir bei anderen Menschen oder in unserer Umgebung wahrnehmen, gleichen wir mit unseren inneren Erfahrungen ab. Erhebt jemand die Hand gegen uns, werden wir reflexartig unsere Hände zum Schutz vors Gesicht halten. Finden wir uns in einem unangenehmen Gespräch wieder, kramen wir, metaphorisch gesprochen, in der »Soziale-Erfahrungen-Sektion« unseres Rucksacks. Haben Sie schon früh gelernt, sich gegen verbale Angriffe zu wehren, werden Sie Ihrem Gegenüber schnell klar machen, dass Sie nicht so mit sich umspringen lassen. Gab es in Ihrer Kindheit jedoch Menschen, die Ihnen gegenüber regelmäßig laut wurden, werden Sie womöglich eine passive Schutzhaltung einnehmen und die Tirade still über sich ergehen lassen.

Für Führungskräfte ist dieser Rucksack ein wichtiger Referenzpunkt, den es zu beachten gilt. Jede Führungskraft hat eine Menge positive und negative Erfahrungen gemacht, die in ihrem Rucksack programmiert sind. Jeder Mitarbeitende, der mit seinem Verhalten an diese Erfahrungen erinnert, löst unweigerlich instinktive Reaktionen aus, die im Moment vielleicht als gut und richtig empfunden werden – aber deswegen nicht unbedingt die besten Entscheidungen sind.

Aber nicht nur Führungskräfte, sondern alle Menschen tragen ihre persönlichen Rucksäcke. Somit treffen bei jeder zwischenmenschlichen Begegnung Rucksack auf Rucksack bzw. persönliche Erfahrungen auf persönliche Erfahrungen. Unbewusst in Kauf genommen ergibt das einen Emotionsbaukasten ohne Anleitung, der Sympathie, Hass, Gleichgültigkeit, Anziehung, Unbehagen und viele andere Dinge zwischen zwei Menschen hervorbringen kann.

Das alles passiert dank der menschlichen Spiegelneuronen in Sekundenbruchteilen und manchmal sogar, ohne dass dabei ein einziges Wort gewechselt werden muss. Menschen sind in der Lage, ihre Rucksäcke in wenigen Momenten abzugleichen und dadurch zu erkennen, ob ihnen ihr Gegenüber sympathisch ist oder nicht.

Wenn Führungskräfte ihr Team personell zusammenstellen bzw. verändern oder aufstocken, hat dieser Rucksack meistens eine sehr maßgebliche Funktion. Üblicherweise führt das dazu, dass das Team in seiner Gesamtheit nicht sehr viel anders tickt als der Chef selbst. Aufgrund ähnlicher Hintergründe, Ansichten, Erfahrungen und Weltbilder kommt man gut miteinander aus. Blickt man aber hinter diesen Wellness-Aspekt zeigt sich, dass man dem Team wichtige Erfolgsfaktoren von vornherein genommen hat: den anderen Blickwinkel, die anderen Ideen, den anderen Background, die neuen Sichtweisen.

Diesen typischen Rucksack-Entscheidung begegnen Sie wahrscheinlich auch in Ihrem Freundeskreis oder in Gruppen, denen Sie auf Social Media angehören. Bei ähnlichen Erfahrungen und Haltungen fühlen wir uns „instinktiv wohl“. Dort können wir auch Dinge gut annehmen, weil wir zu wissen glauben: Der oder die andere versteht uns.

Problematisch wird es, wenn wir im Berufsleben auf Menschen treffen, die offensichtlich ganz anders ticken als wir selbst. Dabei stoßen lediglich zwei Menschen mit völlig verschieden gepackten Rucksäcken aufeinander und reagieren instinktiv ablehnend aufeinander. Die Erkenntnis, dass Menschen aufgrund von fehlender Erfahrung, Unwissenheit oder auch aus Überzeugung andere Wege als „richtig“ empfinden, ist eine wesentliche Erkenntnis für Führungskräfte, die als Leader agieren wollen.

Der Weg dorthin führt über die bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Rucksack. Wer anderen eine andere Meinung nicht mehr grundsätzlich krumm nimmt, ist dazu in der Lage, einen geraden Weg zu gehen und vorzuzeigen. Wer das Verhalten anderer nicht mehr persönlich nimmt, kann als Person beeindrucken und im Idealfall auch andere damit authentisch, wertschätzend und respektvoll führen.

Das Thema Führung können Sie auch in meinem neuen Buch „Führungsinstinkte – Warum Führungserfolg auch Bauchsache ist“ vertiefen, das ich zusammen mit Marco Seltenreich geschrieben habe.
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