Wie privat darf es werden? – Kommunikation zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

Auch wenn der Wechsel von Siezen zum Duzen für Leader keine Rolle spielt, birgt das Du-Wort für beide Seiten mögliche Fallen. Nämlich dann, wenn man das Gefühl für Grenzen verliert und diese vielleicht unbewusst überschreitet. Wie kann ein Kontakt auf Augenhöhe funktionieren, ohne dass er einen negativen Einfluss auf die Zusammenarbeit hat – etwa auf Autorität, Respekt und den Unterschied an Verantwortung? Wie nahe sollen Leader an ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eigentlich dran sein?

Klare Antwort: Als Leader sollten Sie alles über Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen. Warum? Weil Sie nur dann wirklich einschätzen können, warum zum Beispiel jemand aus Ihrem Team keine gute Performance liefert. Denn kein Mensch kann immer 100 Prozent geben – selbst wenn in den meisten Stellenanzeigen noch immer „hohe Belastbarkeit“ gefordert wird. Die Hochs und Tiefs, die jeder durchlebt, sollten Sie bei Ihrem Team nicht nur wahrnehmen, sondern am besten auch den Grund dafür kennen: Baut Herr A gerade ein Haus, hat Frau B eine kranke Mutter, die sie zu pflegen hat? Erwartet die Frau von Herrn C ein Kind? All diese Motive, auch weitaus banalere Lebenssituationen, verschieben Prioritäten in den Köpfen der Betroffenen. Sie sind dadurch jetzt und in der nahen Zukunft mit Sicherheit nicht die gleichen Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter, die sie aus der Vergangenheit kennen. Unsere Lebensumstände tragen wesentlich dazu bei, wie wir unsere Arbeit leisten.

Eine Führungskraft mit ausgeprägten Instinkten kennt zu jeder Zeit die Lebensumstände der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dazu braucht es Nähe. Diese Nähe sollte auch umgekehrt wirken. Sprich: Ihr Team sollte in etwa auch Ihre Lebensumstände kennen – zumindest, soweit es für die gemeinsame Arbeit wichtig ist. Denn schließlich sind auch Leader Menschen und nicht perfekt. Nun kommt das große Aber: Das private Leben der anderen wahrzunehmen, heißt jedoch nicht, dass man mit jedem ein Bier trinken gehen sollte oder dass man sein Herz bei Liebeskummer jedem ausschütten sollte. Auch Führungskräfte laufen Gefahr, durch mangelndes Bewusstsein irgendwann Grenzen zu überschreiten. Dann erpressen sie möglicherweise auf emotionale Weise Teammitglieder mit der Nähe und dem guten Draht zueinander und es wird sehr schnell zu persönlich. Das darf das Du-Wort oder Nähe nie auslösen! Der Respekt vor dem Menschen muss unbedingt erhalten werden.

Ein anderes Beispiel sind Führungskräfte, die es beim Erzählen von privaten Dingen nicht so genau nehmen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihr Herz bei Beziehungs- und anderen Problemen ausschütten. Für Leader ist das ein absolutes No-Go – nicht, weil es sich „nicht gehört“, sondern weil sie ihre Grenzen kennen, wahren und leben. Trotz aller persönlichen Nähe und Herzlichkeit gibt es immer eine gewisse Abgrenzung zu anderen Menschen, die man nicht zu seinen engen Freunden zählt.

Nehmen Sie sich Zeit, diese Grenze für sich zu definieren und dann konsequent zu wahren! Wer sich dieser speziellen Problematik nicht bewusst ist, kommt recht schnell in eine persönliche Zwickmühle – vor allem, wenn einem die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr sympathisch sind.

Wenn Sie eine gezogene Grenze nicht selbst Tag für Tag und in jeder Situation einhalten können, werden Sie von Ihrem Team als unzuverlässig gesehen werden und sind das genaue Gegenteil von einem Leader. Die gute Nachricht: Sobald Sie das einmal verinnerlicht haben, setzen Sie es um, ohne dass Ihnen das als Bürde oder Last vorkommt. Denn dann haben Sie sich gefunden und bleiben aus Überzeugung bei sich. Dann haben Sie erkannt, dass Ihnen gelebte Werte Menschlichkeit, Ehrlichkeit und Selbstbewusstsein geben und Sie stark, authentisch und lebensnah wirken lassen. Und Sie genießen aus vollen Zügen, was Sie dadurch bei anderen auslösen und zurückbekommen: jenen Respekt und jene Offenheit, die Sie für ihre klare Führungsarbeit benötigen.

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