Kollektive Eigenverantwortung

Während einige Branchen noch auf die Möglichkeit warten, ihre Geschäfte wieder aufzunehmen, geht durch andere so etwas wie eine Aufbruchstimmung. Die Regierung wird nicht müde, bei den Lockerungen an die Eigenverantwortung der Bevölkerung zu appellieren. Gleiches gilt wohl auch für Unternehmen. Denn es stellt sich die Frage, ob alles, was jetzt nicht mehr verboten ist, auch tatsächlich klug ist.

Anfang dieser Woche überraschte viele die Nachricht, dass ab nun Messen und Kongresse wieder erlaubt sind. Klarerweise unter Auflagen und nur mit einem entsprechenden Konzept, wie die Abstandsregeln eingehalten werden können, aber ohne generelle Beschränkung der Besucherzahl. Verstehen Sie mich nicht falsch, für Österreich sind Kongresse und Veranstaltungen ein unverzichtbarer Faktor – auch aus touristischer Sicht.

Doch Österreich wird auch als Kulturland beworben und auch so wahrgenommen. Dennoch gelten hier, zumindest aktuell, weit strengere Regeln für Veranstaltungen als etwa bei Kongressen oder Messen. Es ist also nicht verwunderlich, wenn Künstler und Konzertveranstalter mehr Gleichheit und Unterstützung fordern und ungeduldig dem Neustart entgegenfiebern. Immerhin hängen davon viele Existenzen ab.

Übervorsichtig oder verantwortungsvoll?

Im Moment erlebe ich aber auch, dass einige meiner Kunden sich sozusagen selbst beschränken. Auch wenn es möglich ist, wieder alle MitarbeiterInnen im Büro zu haben, haben viele die Möglichkeit zu Homeoffice bis weit in den Herbst verlängert. Ebenso haben sie die TeilnehmerInnenzahl für Meetings freiwillig beschränkt und weitere Maßnahmen gesetzt, um das Risiko für die MitarbeiterInnen so weit wie möglich zu verringern.

Im Hintergrund stehen nicht allein philanthropische Absichten, sondern selbstverständlich auch wirtschaftliche Überlegungen und ein Abwägen von Risiken. Viele haben erkannt, dass es besser ist, wenn Schlüsselarbeitskräfte von daheim arbeiten, als wenn sie gänzlich ausfallen. Zudem waren viele davon überrascht, wie reibungslos der Betrieb auch während des Lock-down funktioniert hat. Und das, obwohl sich vor allem viele Eltern während der Zeit der Schulschließungen in einem permanenten Ausnahmezustand befunden haben. Glauben Sie mir, als Mutter einer 7-jährigen kenne ich das Gefühl, am Abend müde und geschafft ins Bett zu fallen.

Neue Routine statt neuer Normalität

Wir Menschen sind anpassungsfähig. Und nach der ersten Zeit, in der wir uns ständig außerhalb unserer Komfortzone bewegen mussten, stellt sich nun Routine ein. Eine neue Routine. Aber sogar von der Normalität sind einige gar nicht weit entfernt. Vielleicht, weil sie auch nichts dazulernen wollten, während andere bereit sind, sich anders zu verhalten und der Gemeinschaft durch eigene Begrenzungen zu helfen.

Was bedeutet das für Sie als Führungskraft? Sie fordern, dass Ihre MitarbeiterInnen mitdenken, mitgestalten und tun. Nur vielleicht ist das auch mehr, als Sie selber leisten können. Agieren Sie jetzt wirklich eigenverantwortlich in Ihrer Rolle, oder will Ihr Inneres wieder zurück zur Normalität? Veränderung ist nicht einfach. Wenn Sie aber verstehen, dass hinter Corona eine wahnsinnig große Möglichkeit für Innovation steckt, dann sind Sie der Gewinner und können das auch bei einer zweiten Welle sein.

Folgende Fragen können Sie sich stellen: Was haben wir aus Corona gelernt? Was will ich persönlich davon mitnehmen? Welches Bild habe ich von meinen Teams? Welches vom Unternehmen? Was können wir weglassen oder auch „ausmisten“? Was benötigen wir? Und noch viel wichtiger: Was kann ich als Führungskraft und Mensch dazu beitragen, dass eine zweite Welle erst gar nicht kommt? Und das unabhängig davon, was Nachbarn oder Freunde machen. Schließlich muss ja jemand anfangen, sich weiterhin die Hände zu waschen, Abstand zu halten und entbehrliche Events zu meiden, bei denen viele Menschen sind.

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