Nur wer sich selbst kennt, kann andere aufrichtig führen

Wir vergessen oft das, was uns selbst Hollywood in jedem klassischen Aufstiegsmärchen à la »Karate Kid« oder »Rocky« zeigt, damit die Heldenreise einen möglichst großen Spannungsbogen hat: Man kann erst Gewinnerin bzw. Gewinner, Kämpferin bzw. Kämpfer, Wortführerin bzw. Wortführer, Anführerin bzw. Anführer sein, wenn man sich selbst entdeckt, verstanden und bezwungen hat. Wenn wir großes Glück haben, dann steht uns – wie auf der Leinwand – eine Meisterin bzw. ein Meister, eine Trainerin bzw. ein Trainer oder eine Mentorin oder ein Mentor zur Seite und hilft uns dabei, diesen wichtigen Schritt zu machen. In der Realität fern von Hollywood coachen wir uns meistens selbst. Doch das sollte niemanden entmutigen.

Wie man es dreht und wendet: Der Weg zur Meisterschaft führt über die Selbsterkenntnis – also über die Tatsache, dass man die Wahrheit über sich selbst erkennt, erträgt und sich darüber erhebt. Das ist nichts Neues. So stand bereits über dem Eingang zum Orakel von Delphi im antiken Griechenland der Spruch »Erkenne Dich selbst« (und machte den meisten, die ihn zu Gesicht bekamen, ziemlich weiche Knie). Keine Angst, wir empfehlen Ihnen jetzt nicht, jahrelange Psychoanalyse zu machen oder einen Therapeuten aufzusuchen – obwohl dies natürlich auch ein gangbarer Weg ist.

Um eine Führungspersönlichkeit zu sein, genügt oft schon eine einfache, aber bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst. Durch die ungeschönte Wahrnehmung von Mustern, Wiederholungen und Erfolgen erkennen Sie, wo Ihre Grenzen liegen und wo Sie stehen. Was es braucht, ist Ehrlichkeit, Regelmäßigkeit und ein Hilfsmittel, um die Selbstreflexion aufrecht- und das Wahrgenommene festzuhalten.

Nach wie vor eine der effizientesten und leicht umzusetzenden Methoden, die genau dabei helfen, ist das regelmäßige Führen eines Tagesbuchs – in diesem Fall eines »Führungstagebuchs«. Doch was sollten Sie in so ein Tagebuch eintragen? Halten Sie schwierige Situationen mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Krisen und Konflikte, aber auch Situationen, in denen es wirklich gut lief, fest. Auch, was Ihr Beitrag als Führungskraft in diesen Situationen war. Wie gingen Sie damit um? Wo haben Sie unterstützt? Was haben Sie nicht getan? Vermerken Sie, ob Ihnen vergleichbare Situationen schon öfters als Führungskraft oder früher als Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter begegnet sind. Tragen Sie gar selbst etwas dazu bei, dass derartige Situationen immer wieder entstanden sind? Gab es Vorwürfe oder auch Anerkennung von Kolleginnen und Kollegen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

Führen Sie dieses Tagebuch regelmäßig – und vor allem ungeschönt –, dann offenbaren sich beim Durchlesen wiederkehrende Muster, und Sie gewinnen wertvolle Erkenntnisse. Etwa, was sich ständig wiederholt und warum. Aber auch, was Sie selbst verändern könnten, damit manches besser wird. Schreiben Sie deshalb sowohl Rückschläge als auch Erfolge nieder. Jede Reflexion bringt Sie voran.

Keine Sorge, ein Tagebuch gut zu führen bedeutet nicht, dass Sie täglich abends seitenweise Ihre Eindrücke des Tages festhalten müssen. Es geht lediglich um eine vernünftige Regelmäßigkeit. Schaffen Sie sich eine Routine, die für Sie gut funktioniert. 5-10 Minuten am Tag reichen, um Sie in relativ kurzer Zeit, die größten Hürden und wichtigsten Entwicklungsfelder erkennen zu lassen.

Ein derart simples Tool funktioniert übrigens deshalb so gut, da oft die Antworten auf unsere Probleme und die mögliche Überwindung der immer gleichen Hindernisse auf der Hand liegen, uns aber leider üblicherweise eine effiziente Reflexionsschleife fehlt. Und es funktioniert außerdem nicht für Sie selbst hervorragend, sondern auch, um sich über wiederholende Dynamiken in Ihrem Team klar zu werden. Denn auch hier werden Sie Muster erkennen und sehen, wie sich Ihr Team entwickelt.

Sollten Sie auf dem Weg zu sich selbst jedoch mehr in die Tiefe gehen wollen, ist es jedenfalls hilfreich, Außenwahrnehmung in Form von Sparring, Mentoring oder Coaching in Anspruch zu nehmen. Aber Vorsicht! Wählen Sie bedacht aus, welche Person Sie bei der Entwicklung Ihrer Führungsstärke begleiten soll und darf. Wichtig ist, dass diese Person eigene Führungserfahrung aufweisen kann und Sie dieser Person Vertrauen entgegenbringen. Je offener man jemandem Externen begegnen kann, umso klarer ist die Reflexion.

Sie sehen, die wirkungsvollsten Methoden sind kein großes Geheimnis oder Mysterium. Und weil sie so einfach, so klischeehaft und so unoriginell sind, nehmen viele Menschen diese klaren, simplen Ratschläge nicht ernsthaft in Angriff. Dabei liegt das Geheimnis bei derartigen Tools genau darin: Man muss sie anwenden, anstatt sie nur intellektuell anzudenken oder sie ohne praktische Erfahrung als wirkungslos zu verwerfen.

Wenn Ihnen das bekannt vorkommt oder Sie jetzt genau darüber nachgedacht haben, dann sollte das Motivation genug für Sie sein, diese Tools tatsächlich anzuwenden und mit Spaß und Freude an sich selbst zu arbeiten.

Mehr zum Thema Führung können Sie in meinem neuen Buch „Führungsinstinkte – Warum Führungserfolg auch Bauchsache ist“ lesen, das ich zusammen mit Marco Seltenreich geschrieben habe.
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